Freitag, 28.06.2024
Abend der offenen Tür und Sommerfest

Jubiläumsfeier: 50 Jahre Marburger Abendschule

"Nachtaktiv und aufgeweckt"

Ein Ort des interkulturellen Austauschs, der Verbesserung der Chancengleichheit sowie der gesellschaftlichen Teilhabe: Seit 50 Jahren bieten die Marburger Abendschulen jungen Erwachsenen die Möglichkeit, neben der Arbeit einen Schulabschluss zu machen.

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Foto: Heiko Krause i.A.d. Stadt Marburg

Mit großem Festakt, Schulfest und Rockkonzert haben ehemalige und aktuelle Studierende, Lehrer*innen und weitere Gäste das 50-jährige Bestehen der Marburger Abendschulen gefeiert.

Die Abendschule gebe jungen Menschen die Möglichkeit, einen höheren Bildungsgrad zu erreichen oder zunächst einmal überhaupt einen Schulabschluss zu machen – und das schon seit 50 Jahren. Dafür bedankte sich Stadträtin und Schuldezernentin Kirsten Dinnebier während des offiziellen Festakts der Stadt Marburg anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Abendschulen. Sie richtete ihre Dankesworte an Schulleiter Armin Bothur, dessen Stellvertreterin Dr. Sabine Hörger und das gesamte Kollegium.

„Bildung öffnet Türen“, betonte sie, „und es ist mehr als nur begrüßenswert, dass Sie Bildung nicht nur Kindern und Jugendlichen ermöglichen, sondern eben auch jungen Erwachsenen neben ihrer Arbeit.“ Lebens- und Bildungswege verliefen nicht immer gleich, betonte die Stadträtin, „und jeder Mensch braucht auch nach Unterbrechungen die Chance, wieder in den Bildungsweg einsteigen zu können.“

Zu den zahlreich erschienenen Ehrengästen gehörte der Kultusminister des Landes Hessen, Prof. Dr. Ralph Alexander Lorz. Auch er fand lobende Worte und verdeutlichte seine Bewunderung gegenüber den Menschen, denen es gelinge, neben ihrer beruflichen Tätigkeit noch einen Schulabschluss zu machen. „Wenn andere vor dem Fernseher sitzen, geht Ihnen das Licht der Bildung auf.“ Für einen solchen Schulabschluss bedürfe es Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen, „darauf darf man besonders stolz sein.“

Auf eine 50-jährige Geschichte blicken die Marburger Abendschulen inzwischen zurück. Schulleiter Bothur erinnerte daran, dass 1969 auch der erste Mensch den Mond betreten hat und das legendäre Woodstock-Festival stattfand. „Aber während das Jubiläumsfestival abgesagt wurde und niemand seitdem mehr auf dem Mond war, gibt es die Marburger Abendschule immer noch und sie entwickelt sich immer weiter“, freute er sich.

Erste Vorläufer starteten bereits 1960, damals noch unter dem Dach der Volkshochschule mit gymnasialen Abendkursen. Am 1. September 1969 wurde schließlich das Abendgymnasium Marburg gegründet. Die Studierenden hatten nun Schulgeld- und Lernmittelfreiheit sowie eine Reifeprüfungsordnung, die im Vorfeld des Abiturs erbrachte Schulleistungen berücksichtigte. Die meisten der jungen Erwachsenen, die seit 1969 Abitur, einen Realschul- oder Fachhochschulabschluss machten, lernten nach der Arbeit am Abend. Passend dazu lautet der Werbeslogan der Schule „Nachtaktiv“.

Nachdem die Abendschulen über ein Jahrzehnt ein reines Abendgymnasium blieben, kam 1982 die Abendrealschule und 2001 schließlich die Abendhauptschule hinzu. Grundlegend für die Entscheidung zugunsten der neuen Schulzweige und deren Einrichtung als selbstständige Schulformen war der Gedanke, dass Erwachsenenbildung weiter gefasst werden muss und nicht ausschließlich gymnasial definiert werden sollte.

Mittlerweile ist die Schule auch „tagaktiv“. Bereits in den frühen 1990er-Jahren entstand die Idee eines Vormittagsunterrichts für „Familienfrauen und Familienmänner“. Dieser Vormittagsunterricht wurde im Wintersemester 1993/94 erstmals angeboten, konnte aber zunächst nicht langfristig aufrechterhalten werden. Die Vormittagskurse wurden erst im Jahr 2010 für den mittlerweile stärksten Schulzweig – die Abendrealschule – wiederaufgenommen. Nach den Sommerferien 2019 wurde der Vormittagsunterricht auf die Abendhauptschule ausgeweitet. Passend dazu lautet der zweite Werbeslogan der Schule „aufgeweckt“.

Knapp 3000 Studierende haben in den vergangenen Jahrzehnten ihren Abschluss gemacht: 174 den Hauptschulabschluss, 859 den Realschulabschluss, 1594 die allgemeine Hochschulreife sowie 336 die Fachhochschulreife. Bis heute ist die Zahl der Abschlüsse sehr hoch, auch die Ergebnisse erreichen ein sehr hohes Niveau. Viele erfolgreiche Absolvent*innen besuchen im Anschluss an die Abendrealschule das Abendgymnasium, das neben dem Abitur auch den Fachhochschulabschluss ermöglicht. Selbst den „Marathon“ durch alle drei Schulformen haben Studierende schon geschafft.

Aktuell haben die Abendschulen etwa 250 Studierende sowie 30 Lehrkräfte. In den vergangenen fünf Jahrzehnten haben sich die schulischen Schwerpunkte jedoch deutlich verschoben. Semester für Semester verändert sich die Zusammensetzung der Studierenden, so dass sich das Kollegium immer wieder neu mit der Frage beschäftigt, wie Unterrichtsformen und -inhalte angepasst werden können.

Seit dem Zuzug zahlreicher junger Erwachsener, die aus Kriegs- und Krisengebieten geflohen sind, spielt jede Form von sprachsensiblem Unterricht eine wichtige Rolle. So stammt aktuell nur noch jeder zweite Studierende aus einem familiären Umfeld, in dem im Alltag deutsch gesprochen wird. Hier leisten die Abendschulen Marburg einen entscheidenden Beitrag zur Integration. Neben dem Lernen werden in der Schule auch engere Kontakte zu gleichaltrigen Muttersprachler*innen geknüpft. Durch das gemeinsame Schulleben sind die Abendschulen Marburg ein Ort des interkulturellen Austauschs, der Verbesserung der Chancengleichheit sowie der gesellschaftlichen Teilhabe.

Umrahmt wurde der offizielle Festakt unter der Leitung von Dr. Sabine Hörger von der Schulband „Nachtaktiv“ und Studierenden, die eine musikalische Zeitreise durch die vergangenen fünf Jahrzehnte vortrugen. Zudem hatte das „Fast Forward Theatre“ einen Improvisationsauftritt. Die erfolgreiche Geschichte der Marburger Abendschule haben Studierende und Lehrkräfte im Anschluss noch mit einem großen Schulfest unter dem Titel „Nachtaktiv und aufgeweckt“ gefeiert. An das bunte Überraschungsprogramm mit verschiedenen Ausstellungen sowie einer Eulenshow schloss sich ein Konzertabend an. Die weit über Mittelhessen hinaus bekannte Rockgruppe „Softeis“ trat auf. Die Brüder Eismann, Gitarrist Gerhard und Bassist Werner, waren beide ebenfalls Studierende der Abendschulen. Es war ihnen daher ein besonderes Anliegen, bei ihrem einzigen Marburger Konzert im Jahr 2019 ihre alte Schule mit Explosivität, Dynamik und Leidenschaft zum Beben zu bringen.

Pressestelle der Stadt Marburg
Originalartikel hier


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